Erinnerungsarbeit am ehemaligen Westwall

Der ehemalige Westwall war eine Angriffs- und Verteidigungslinie des nationalsozialistischen Unrechtsregimes mit tausenden Bunkern, Panzersperren und -gräben und ist heute die größte bauliche Hinterlassenschaft der NS-Diktatur in Rheinland-Pfalz. Die verbliebenen Ruinen haben sich zu naturnahen Lebensräumen entwickelt, die auch aufgrund ihrer bandartigen Anordnung aus Sicht des Naturschutzes von besonderem Wert als Rückzugsgebiet gefährdeter Arten und für ein Biotopverbundsystem sind. Gleichzeitig sind die Ruinen als Denkmal geschützt. Die Erinnerungslandschaft ehemaliger Westwall veranschaulicht die NS-Ideologie, ihre gesamtgesellschaftlichen Wirkungen bis hin zum Zweiten Weltkrieg und zur Vernichtung von Menschen in Konzentrationslagern. Eine kurze Einführung in die Geschichte des Westwalls und aktuelle Entwicklungen finden Sie hier

Das Land Rheinland-Pfalz hat zum 1. Oktober 2014 gemäß einer mit dem Bund abgeschlossenen Vereinbarung das Eigentum an den hier noch vorhandenen Anlagen des ehemaligen Westwalls übernommen. Eine eigens gegründete Landesstiftung „Grüner Wall im Westen – Mahnmal ehemaliger Westwall“ sichert die Relikte natur- und denkmalschutzverträglich. 

Filmdokumentation "Der Westwall"

Die vom Klimaschutzministerium Rheinland-Pfalz produzierte Dokumentation thematisiert die größte bauliche Hinterlassenschaft des NS-Regimes im Spannungsverhältnis von politischer Bildung, Denkmal- und Naturschutz:

Die Hochschule Geisenheim University hat mit Unterstützung von Deutscher Bundesstiftung Umwelt und Umweltministerium Rheinland-Pfalz am 17.und 18.02.2016 eine internationale Tagung zum Thema „Naturschutz an NS-Großanlagen. Das Beispiel ehemaliger Westwall in Rheinland-Pfalz“ durchgeführt. Die Dokumentation der Tagung finden Sie hier.

Der Westwall entstand in der Zeit ab etwa 1936 in mehreren Phasen als vorgebliche „Verteidigungslinie“ des nationalsozialistischen Regimes. Er sollte dabei helfen, dem Regime „den Rücken freizuhalten“ für den Krieg in Ost- und Südosteuropa. Eine wesentliche Funktion des Bauwerks war auch die Propaganda im Sinne des NS-Regimes, insbesondere die Propagierung der sogenannten Volksgemeinschaft, ihrer vermeintlichen Unbesiegbarkeit und der Militarisierung der Gesellschaft.

Mit dem Bau des Westwalls wurde ab 1938 die sogenannte Organisation Todt unter ihrem namensgebenden Leiter, dem Nationalsozialisten Fritz Todt beauftragt. Der Reichsarbeitsdienst und später auch die Organisation Todt zwangsrekrutierten Arbeitskräfte für den Westwall. Die SS gründete auf Initiative Todts das SS-Sonderlager Hinzert, die Gestapo Arbeitserziehungslager. An der militärischen Tarnung der Anlage waren auch die sogenannten Landschaftsanwälte beteiligt; so wurden die freischaffenden Landschaftsarchitekten bezeichnet, die für die Organisation Todt arbeiteten.

Für die Errichtung des Westwalls musste die ortsansässige Bevölkerung Land in großem Umfang bereitstellen. Der Bau war daher in die nationalsozialistische Politik zur Neuordnung des ländlichen Raums eingebunden. Der Westwall gilt als einer der ersten Erprobungsräume für eine umfassende Siedlungspolitik des NS-Regimes, die der ortsansässigen Bevölkerung viel Leid zufügte.

Der Westwall war kein reines Verteidigungsbauwerk, sondern diente in gleichem Maße als Stützpunkt und Rückgrat für den nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg.

Die Aufgabe für den Naturschutz in der Zeit des Nationalsozialismus am Westwall lautete, die Anlagen so durch Pflanzmaßnahmen zu tarnen, dass sie für gegnerische Truppen nicht wahrnehmbar waren. Führende Naturschützer wie W. Hirsch dienten sich der nationalsozialistischen Organisation Todt, die den Westwall baute, an und übernahmen die Tarnungsaufgaben als sogenannte „Landschaftsanwälte“. 

Beim Bau des Westwalls setzte die Organisation Todt auch ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge ein. Durch ihre Mitarbeit in der Organisation Todt, aber auch in der Wehrmacht oder in nationalsozialistischen Organisationen wie der SS erarbeiteten sich die beteiligten Landschaftsanwälte die Anerkennung des nationalsozialistischen Regimes. In der Folge wurde ihr Tätigkeitsbereich als „kriegswichtig“ eingestuft. Für viele Beteiligte erwies sich das als Beginn ihrer Karriere. 

Die Tarnungsarbeiten wurden aus der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie heraus entwickelt und begründet. Die pflanzensoziologischen Kartierungen R. Tüxens, der als Berater für die Organisation Todt arbeitete, ordneten sich hier ein.

Die systematische Begrünung der Bunker, Panzersperren usw. mit dem Ziel, die Bauwerke „in die Landschaft einzufügen“, musste bereits während der Zeit des Nationalsozialismus zu einem „Biotopverbund“ führen, auch wenn er vermutlich – nicht zuletzt infolge der Kriegseinwirkungen – nur punktuell realisiert wurde und der Begriff selbst noch nicht existierte. Die umfassenden Zugriffsmöglichkeiten auf Grundflächen infolge der „Kriegswichtigkeit“ ihrer Arbeit ermöglichten den Planern, einen neuen Landschaftstypus zu projektieren, die „nationalsozialistische Wehrlandschaft“.
 

Mehr über die Tarnungsmaßnahmen am Westwall und die Rolle des Naturschutzes erfahren Sie hier.

Die Relikte des Westwalls haben heute eine hohe Bedeutung für den Naturschutz. Hier entwickeln sich Sekundärlebensräume für Fledermäuse, Amphibien, Farne und Moose und ein Biotopverbundkorridor z.B. für die Wildkatze. Aufgrund der Biotop- und Habitatqualität der Westwallrelikte kann eine Biotopverbundstruktur von überregionaler Dimension entwickelt werden.

In Rheinland-Pfalz wurde der Abriss des ehemaligen Westwalls durch einen Runderlass des Umweltministeriums 2003 gestoppt. Maßnahmen der Gefahrensicherung beschränken sich seither v.a. auf Einzäunungen, das Abschneiden von Moniereisen und die Sicherung von Absturzhöhen. Weitere alternative Möglichkeiten der Verkehrssicherung mit dem Ziel der Erhaltung und Optimierung der Anlagen in Bezug auf die Naturschutzfunktionen wurden modellhaft durch den BUND Landesverband Rheinland-Pfalz im Projekt "Grüner Wall im Westen - Beispielhafte Maßnahmen zum Umgang mit den Westwallanlagen aus Sicht des Naturschutzes und des Denkmalschutzes" entwickelt, das durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und das Umweltministerium Rheinland-Pfalz gefördert wurde.

Die hierbei entwickelten Konzepte können gegebenenfalls in Zukunft flächendeckend zur Erhaltung der Anlagen Anwendung finden. Das Projekt dient also auch dem längerfristigen Ziel, die Westwallrelikte in einer bundesländerübergreifenden Initiative zu sichern und einen Ländergrenzen überschreitenden  Biotopverbund in diesem Bereich zu schaffen bzw. weiter zu entwickeln.

Die Erarbeitung des wissenschaftlichen Gutachtens „Der Westwall in der Landschaft. Aktivitäten des Naturschutzes in der Zeit des Nationalsozialismus und seine Akteure“, die verschiedenen Diskussionsveranstaltungen sowie die im Februar 2016 seitens der Hochschule Geisenheim University mit finanzieller Unterstützung durch MUEEF und Deutsche Bundesstiftung Umwelt durchgeführte interdisziplinäre, internationale Tagung „Naturschutz an NS-Großanlagen. Das Beispiel ehemaliger Westwall in Rheinland-Pfalz“ haben für die Involviertheit des Naturschutzes in das nationalsozialistische Regime sensibilisiert. Nicht nur am ehemaligen Westwall, sondern auch zum Beispiel auf Flächen des „Nationalen Naturerbes“ waren Naturschützer der NS-Zeit auf Seiten des Regimes aktiv. Das Gutachten finden sie hier.
 

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat zahlreiche Flächen des Nationalen Naturerbes übernommen. Um die erinnerungskulturelle Aufgabe des Naturschutzes auf diesen Flächen besser strukturieren zu können, lud sie daher am 10.und 11.4.2018 zu einem Symposion mit dem Titel „Naturschutz im Spannungsfeld der Geschichte“ ein. Das MKUEM wurde gebeten, hierzu einen Beitrag zu leisten. Wir haben dies zum Anlass genommen, ein Thesenpapier zu entwickeln, das Eckpunkte für die Bearbeitung dieser Aufgabe durch Naturschutzakteurinnen und –akteure vorschlägt. Es bietet einen Rahmen für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Naturschutzes auf diesen Flächen im Sinn eines Beitrags zu Erinnerungskultur an und zielt auf eine integrative und interdisziplinäre Vorgehensweise. Sie finden die Dokumentation der Tagung hier und das Thesenpapier hier.

Das Land hat zum 1. Oktober 2014 gemäß einer mit dem Bund im Januar 2013 abgeschlossene Vereinbarung das Eigentum an den im Land noch vorhandenen Anlagen des ehemaligen Westwalls und die Verkehrssicherungspflicht vom Bund übernommen.

Eigentum und Verkehrssicherungspflicht werden vom Land auf die Stiftung des öffentlichen Rechts „Grüner Wall im Westen - Mahnmal ehemaliger Westwall“ übertragen.

Mehr Informationen zur Landesstiftung "Grüner Wall im Westen - Mahnmal ehemaliger Westwall" finden Sie auf ihrer Homepage.

Die Anlagen des Strecken- und Flächendenkmals „Westbefestigung“ (Westwall und Luftverteidigungszone West) befinden sich in den Landkreisen Vulkaneifel, Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg und der Stadt Trier sowie in den Landkreisen Südwestpfalz, Südliche Weinstraße, Kaiserslautern, Kusel, Germersheim und den Städten Pirmasens, Zweibrücken und Landau (Verzeichnis der Kulturdenkmäler - Westwall und Luftverteidigungszone West).

Der gesamte ehemalige Westwall bestand ursprünglich aus insgesamt ca. 20.000 Bunkern, aus befestigten Stellungen, Höckerlinien, sonstigen Sperranlagen und künstlichen Hindernissen, die in der Zeit des Nationalsozialismus errichtet worden sind. Dazu kommen Relikte und Trümmerteile sowie später errichtete Bauten, die der Gefahrenabwehr der Westwallanlagen dienten.

Die rheinland-pfälzische Landeszentrale für politische Bildung hat die Publikationsreihe „Der Westwall in Rheinland-Pfalz. Studien zur historisch-politischen Bildung“ herausgegeben. Nähere Informationen finden Sie hier.

Die rheinland-pfälzische Friedensakademie hat 2020 gemeinsam mit der Evangelischen Akademie der Pfalz die Studie "Mahnmal ehemaliger Westwall – Geteilte Verantwortung für einen Grenzraum" veröffentlicht, die hier zu finden ist.